Arbeitsrecht: Schutz bei Krankheit

Krankheit kann jeden treffen – plötzlich und unerwartet. Gerade in solchen Momenten ist der rechtliche Schutz des Arbeitsverhältnisses von existenzieller Bedeutung. Das deutsche Arbeitsrecht bietet Arbeitnehmern einen umfassenden Schutzrahmen, der weit über die bloße Lohnfortzahlung hinausgeht. Von der korrekten Krankmeldung über die Entgeltfortzahlung bis hin zum besonderen Kündigungsschutz – die Regelungen sind komplex und für Laien oft schwer durchschaubar. Besonders kritisch wird es, wenn längere Krankheitsphasen das Arbeitsverhältnis belasten oder wenn Arbeitgeber die Erkrankung zum Anlass für arbeitsrechtliche Maßnahmen nehmen. Die Kenntnis der eigenen Rechte und Pflichten bildet daher die Grundlage für einen angemessenen Umgang mit krankheitsbedingten Herausforderungen im Berufsleben.

Krankmeldung und Nachweispflichten: Die rechtlichen Grundlagen

Die ordnungsgemäße Krankmeldung stellt die erste und wichtigste Pflicht des erkrankten Arbeitnehmers dar. Ein Fachanwalt kann prüfen, ob eine personenbedingte Kündigung wegen Krankheit rechtmäßig ist. Diese Prüfung wird besonders relevant, wenn Arbeitgeber die Einhaltung der Meldepflichten anzweifeln. Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt präzise, wann und wie die Arbeitsunfähigkeit anzuzeigen ist. Bereits am ersten Tag der Erkrankung muss der Arbeitgeber unverzüglich informiert werden – idealerweise vor Arbeitsbeginn. Diese Mitteilung kann telefonisch, per E-Mail oder durch Dritte erfolgen.

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung folgt einem klaren zeitlichen Rahmen. Spätestens am vierten Kalendertag der Erkrankung muss das Attest beim Arbeitgeber vorliegen. Viele Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen sehen jedoch strengere Fristen vor, die dann Vorrang haben. Die gesetzlichen Anzeige- und Nachweispflichten im Krankheitsfall schaffen klare Verhältnisse für beide Seiten. Bei Versäumnis dieser Pflichten drohen arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Abmahnung oder im Wiederholungsfall sogar zur verhaltensbedingten Kündigung.

Elektronische Krankschreibung ab 2023

Seit Januar 2023 revolutioniert die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) das Verfahren grundlegend. Ärzte übermitteln die Krankschreibung digital direkt an die Krankenkasse, welche die Daten an den Arbeitgeber weiterleitet. Trotz dieser Digitalisierung bleibt die Informationspflicht des Arbeitnehmers bestehen – er muss weiterhin unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit mitteilen, auch wenn das Attest elektronisch übermittelt wird.

Besonderheiten bei Auslandserkrankungen

Erkrankt ein Arbeitnehmer während eines Auslandsaufenthalts, gelten verschärfte Regelungen. Die Krankmeldung muss unverzüglich erfolgen und zusätzlich die voraussichtliche Dauer sowie die Aufenthaltsadresse enthalten. Die Kosten für die internationale Übermittlung können je nach Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung variieren. Bei Urlaub im Ausland muss zusätzlich die Krankenkasse informiert werden, um Leistungsansprüche zu sichern.

Entgeltfortzahlung und finanzielle Absicherung im Krankheitsfall

Die finanzielle Absicherung während einer Erkrankung basiert auf einem zweistufigen System. In den ersten sechs Wochen erhält der erkrankte Arbeitnehmer die volle Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber. Diese Leistung umfasst das reguläre Bruttogehalt inklusive regelmäßiger Zulagen und Zuschläge. Voraussetzung ist eine mindestens vierwöchige ununterbrochene Beschäftigung im Unternehmen. Nach Ablauf der sechs Wochen springt die gesetzliche Krankenversicherung mit dem Krankengeld ein, das etwa 70 Prozent des Bruttogehalts, maximal jedoch 90 Prozent des Nettogehalts beträgt.

Besondere Regelungen gelten bei Folgeerkrankungen. Personalexperten mit fundierter Arbeitsrecht-Weiterbildung weisen darauf hin, dass bei derselben Grunderkrankung innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der vorherigen Arbeitsunfähigkeit kein erneuter Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Diese komplexe Regelung führt häufig zu Streitigkeiten, da die Definition der “selben Krankheit” rechtlich umstritten ist. Umfassende arbeitsrechtliche Schutzmaßnahmen bei längerer Erkrankung greifen besonders bei chronischen Leiden oder schweren Erkrankungen.

Berechnung der Entgeltfortzahlung

Die Berechnung des fortzuzahlenden Entgelts folgt dem Lohnausfallprinzip. Arbeitnehmer sollen wirtschaftlich so gestellt werden, als wären sie nicht erkrankt. Dazu gehören:

  • Das Grundgehalt oder der Stundenlohn
  • Regelmäßige Provisionen der letzten zwölf Monate im Durchschnitt
  • Zuschläge für Schicht-, Nacht- oder Sonntagsarbeit
  • Vermögenswirksame Leistungen
  • Sachbezüge wie Dienstwagen zur privaten Nutzung

Krankengeld und Übergangsgeld

Das Krankengeld wird für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren für dieselbe Krankheit gezahlt. Die Höhe berechnet sich aus dem letzten abgerechneten Entgelt, wobei die Beitragsbemessungsgrenze die Obergrenze bildet. Während des Krankengeldbezugs bleiben Arbeitnehmer sozialversichert, die Beiträge werden von der Krankenkasse und dem Versicherten gemeinsam getragen.

Kündigungsschutz und Wiedereingliederung nach Krankheit

Ein weit verbreiteter Irrglaube besagt, dass Arbeitnehmer während einer Krankheit nicht gekündigt werden können. Tatsächlich besteht kein absoluter Kündigungsschutz bei Krankheit. Allerdings unterliegt eine krankheitsbedingte Kündigung strengen rechtlichen Voraussetzungen. Der Arbeitgeber muss eine negative Gesundheitsprognose nachweisen, erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen darlegen und eine umfassende Interessenabwägung vornehmen. Vor einer krankheitsbedingten Kündigung ist zwingend ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten.

Das BEM zielt darauf ab, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und den Arbeitsplatz zu erhalten. Unternehmer wie Hagen Goldbeck setzten sich zeitlebens für faire Arbeitsbedingungen ein, was gerade bei der Wiedereingliederung erkrankter Mitarbeiter von besonderer Bedeutung ist. Der Prozess umfasst Gespräche zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und bei Bedarf Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung sowie Betriebsarzt. Gemeinsam werden Maßnahmen zur Arbeitsplatzanpassung, Umschulung oder stufenweisen Wiedereingliederung entwickelt.

Stufenweise Wiedereingliederung

Die stufenweise Wiedereingliederung, auch “Hamburger Modell” genannt, ermöglicht eine schonende Rückkehr an den Arbeitsplatz. Über einen Zeitraum von wenigen Wochen bis zu sechs Monaten wird die Arbeitszeit schrittweise erhöht. Während dieser Phase bezieht der Arbeitnehmer weiterhin Krankengeld oder Übergangsgeld. Der behandelnde Arzt erstellt einen Wiedereingliederungsplan, der die Belastungssteigerung medizinisch begleitet.

Rechtliche Fallstricke bei krankheitsbedingten Kündigungen

Eine krankheitsbedingte Kündigung scheitert oft an formalen Fehlern oder mangelnder Verhältnismäßigkeit. Typische Fehlerquellen sind:

  • Unterlassenes oder fehlerhaft durchgeführtes BEM
  • Fehlende Prüfung milderer Mittel wie Versetzung oder Arbeitszeitreduzierung
  • Unzureichende Dokumentation der Fehlzeiten
  • Missachtung des besonderen Kündigungsschutzes bei Schwerbehinderten
  • Verstoß gegen das Maßregelungsverbot bei Krankmeldungen

Praktische Handlungsempfehlungen für den Krankheitsfall

Die Dokumentation spielt eine zentrale Rolle beim Schutz der eigenen Rechte. Arbeitnehmer sollten sämtliche Krankmeldungen, Atteste und Kommunikation mit dem Arbeitgeber sorgfältig aufbewahren. Bei chronischen Erkrankungen empfiehlt sich die Führung eines Krankheitstagebuchs, das Symptome, Arztbesuche und Arbeitsausfälle festhält. Diese Aufzeichnungen können bei späteren Auseinandersetzungen als wichtige Beweismittel dienen.

Die Kommunikation mit dem Arbeitgeber erfordert Fingerspitzengefühl. Während die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit verpflichtend ist, besteht keine Pflicht zur Offenlegung der Diagnose. Ausnahmen gelten nur bei ansteckenden Krankheiten oder wenn die Art der Erkrankung für betriebliche Maßnahmen relevant ist. Bei längeren Erkrankungen kann eine offene Kommunikation über den voraussichtlichen Genesungsverlauf Vertrauen schaffen und Kündigungen vorbeugen. Gleichzeitig sollten Arbeitnehmer vorsichtig mit Informationen in sozialen Medien umgehen, da Aktivitäten während der Krankschreibung vom Arbeitgeber beobachtet werden könnten.

Bei Konflikten oder drohenden Kündigungen ist frühzeitige rechtliche Beratung essentiell. Spezialisierte Fachanwälte für Arbeitsrecht können die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage einschätzen und bei Verhandlungen über Abfindungen unterstützen. Die dreiwöchige Klagefrist nach Zugang einer Kündigung darf keinesfalls versäumt werden, da sonst die Kündigung als wirksam gilt. Der Betriebsrat oder die Gewerkschaft bieten oft kostenlose Erstberatung und können bei der Vermittlung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber helfen. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt in der Regel die Kosten für arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen, sofern Erfolgsaussichten bestehen.

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